Manchmal stellt man sich blöde an, überschätzt sich oder die Route ist einfach unterbewertet.
Irgendetwas davon muss es am Sonntag gewesen sein. Wir fuhren früh nach Schriesheim. Endlich mal ein Tag nur klettern. Eine Stunde Anfahrt, eine halbe Stunde wandern. Dann die erste Kletterwand. Hier wollte ich schon immer einmal klettern. Bislang sind wir rasch in die zweite oder dritte Ebene gegangen und wollten am Ende hier klettern. Meist waren wir dann müde oder es dunkelte. Also zuerst im Sektor B eine einfache Route. Der Tannenriß 5+ sollte uns ein wenig aufwärmen. Entgegen der Wetterprognose zogen Wolken auf und es war empfindlich zu kalt für Anfang September. Dazu noch Mückenschwärme (die glücklicherweise nur an Holger saugen wollten).

Das neue Beal-Seil ausgepackt, alles gerichtet und hoch in die Wand. Die ersten Meter noch einfach, sicherheitshalber einen Friend gesetzt und in den Riss hinein. Und genau da fingen die Schwierigkeiten an. Neue Route – wo sind die Griffe, außen entlang oder im Riss. Witzig wird es im oberen Drittel, wenn man die Schlüsselstelle überwunden hat: Im Riss wächst eine kräftige Wurzel, die man als sicheren Griff nutzen kann.
Dann kam Holger und obwohl ich nur ein paar Zentimeter kleiner und nicht viele Kilo leichter bin, kam mir dies endlich mal zu Gute. Holger kämpfte in dieser Tour wie ein Stier. Verzweifelte schier auf halber Strecke. Musste Pausen machen, fluchte, schwitzte, blutete und meckerte, dass das nie und nimmer eine 5+ sei.” Einfach in den Riss hinein und dann über dich greifen” rief ich ihm zu. Nur er kam nicht in den Riss. Er quälte sich dann beim zweiten Versuch nach oben und da erschien einmal auf der zweiten Ebene war, beschlossen wir, die Rucksäcke hochzuziehen. Es kam wie es kommen musste. Der Rucksack blieb im Riss klemmen. Nach etlichen Versuchen war er endlich oben, aber mein Rucksack noch unten. So dachte ich, sei es besser mit ihm nach oben zu klettern. Das war mindestens genauso intelligent, wie die Idee, sich den Klettersteig zu sparen. Wir wären längst auf der 2ten Ebene. Also ab in die Wand. Der schlecht gepackte Seilsack zog mich an den Schultern nach hinten und an der Stelle, die mir so einfach schien, an der Holger fast scheiterte, kam ich plötzlich auch nicht mehr weiter, denn mit Rucksack kam ich nicht mehr in den Riss. Also fluchte jetzt auch ich munter vor mich hin, die Jungs von der Route nebenan lästerten schon, dass wir das aber einfacher hätten haben können und so standen dann Holger und ich auf der zweiten Ebene, gerade mal eine 5+ geklettert und völlig fertig. Es gibt Tage, da sollte man es einfach lassen.

Auf der 2ten Ebene waren die linken Routen weitgehend unbesetzt. Bislang hingen dort immer Kletter- oder Schulungsgruppen und die Chance hier einmal eine freie Route zu finden, ist eigentlich schlecht.

Gerne wäre ich die Gedankenlos 6-/6 oder den Balanceakt 6+ geklettert. Leider hing ein Seil dort. Und es hing auch noch 1 1/2 Stunden später da. Zwar war zwischendrin jemand geklettert, aber die meiste Zeit kletterte die Gruppe an einer anderen Route. Wie mich das ankotzt!

So wählten wir den Handkäs 6-/6. Die Route sah nett und einfach aus. Anfänglich war sie es auch. Eine Verschneidung. Zack, zack nach oben. Clippen ist etwas doof. Ok, wird noch. Nächster Haken. Clippen ist noch doofer. Ich schwitze mächtig, komme an den blöden Haken nicht ran. Aus der Höhe gibt es keinen Grounder mehr, aber der Sturzraum ist auch nicht so, dass es ungefährlich wird. Zum dritten Haken wird es fürchterlich. Das kann doch heute alles nicht sein. Das ist eine 6-/6! Kein Griff zu finden. Ich probiere die wildesten Verrenkungen, klettere gar Quer. Stütze, Hooke. Nix. Irgendwo muss es doch weitergehen. Völlig durchgeschwitzt. Kämpfe mich Zentimeterweise die Verschneidung hoch. Doch ist da kein Riss mehr. Hört einfach auf. Für die Füße glatte Wand. Ich keile den Ellbogen und die Hand des linken Arms in die Verschneidung und hoffe, dass das hält – kann clippen. Wenigstens gesichert. Mühe mich an Leistchen und Auflegern nach oben. Der Umlenker ist blöderweise auf der anderen Seite und wird auch von einer anderen Seilschafft genutzt.

Holger klettert Toprope und findet einen Griff unter dem dritten Haken. Mit diesem kann er in der Verschneidung stehen und kommt so über die Leerstelle.
Glücklicherweise meint ein anderer Kletterer, der gerade locker eine 8 klettert, dass er da auch nicht vernünftig hochgekommen sei. Na Gott-sei-Dank. Ich befürchtete schon, alle anderen fliegen da hoch und ich bin der einzige der die Henkel nicht sieht.

Im Anschluss schlägt Holger vor eine einfache Route zu klettern. “Guck da steht 5-“. Dann also hoch. Er müht sich. Eine Felsschuppe bietet einem Friend halt, dann ein Haken, dann wieder ein Friend hinter die Schuppe. Aber er kommt nicht weiter. Irgendwann entschließt er sich außen über die Schuppe zu klettern, aber er hing schon lange in der Route, schweißnass – ist ja nur 5- und kommt ein Stück über den Friend. Eigentlich nur noch einen Griff vom Flachstück entfernt springt er ins Seil und holt sich zu seinen blutenden Knien noch einige blaue Flecken. Aber der Friend hält.

Dann klettere ich die Route, gehe gleich über die Schuppe, eine kleine Platte, Flachstück, Griffe, Haken. Nie und nimmer 5-
Holger klettert wieder und als er oben ist und umbaut, schaue ich im Buch nach. Die 5- ist eine Variante der Nachbarroute – nicht mal im Topo erwähnt, aber angeschrieben. Die eigentliche Route ist die Robin Hood 5+/6- und das passt schon eher.

Da das Seil nun mal schon dort hängt, wo es hängt, klettere ich toprope gesichert die Eiertour 7.
Irgendwann gehe ich die Vorstieg, aber bis ich die Griffolge drauf habe, wird es wohl Toprope sein. Das Ding hat mich ganz schön beschäftigt. Kleinste Griffe und Aufleger und dann einen Griff, den ich nur im Anspringen erreiche. Harte Nuss.

Balanceakt und Gedankenlos sind weiterhin blockiert, Ägypten wollen wir uns ersparen, also geht’s auf dritte Ebene (ich hasse diesen blöden Klettersteig – die Sicherung ist für die Katz. Wenn man da fällt, ist die Verletzungsgefahr größer als beim klettern!)
Auf der dritten Ebene sind die schönsten Routen belegt und da wir ohne Kind und Kegel sind, nehmen wir den Steig auf die vierte Ebene. Endlich hat es auch Sonne, es deutet sich ein phantastischer Sonnenuntergang an, wir wählen die allererste Route und machen eine Mehrseillänge daraus. Ich steige die Verschneidung 5+ im Schinderhannes vor. 20 Meter schönster Fels. Endlich eine einfache Route. Ist sie aber nicht. Im ersten Drittel wird es im Vorstieg kniffelig, wobei sie gut abgesichert ist und ein Grounder nicht zu befürchten ist. Vor dem dritten Haken setzte ich einen Friend – ein Meter weiter war ich am Haken. Beim nächsten Mal spare ich mir den, denn es kamen dicke Henkel – nur wusste ich es nicht und sicher ist sicher.
Oben erwartet uns der geniale Ausblick über Mannheim bis in Pfalz. Holger steigt nach – und als wir beide da oben hängen, hätte ich gern ein Bier dabei gehabt. Doch die Füße tun weh, ich hänge schon eine halbe Stunde im Gurt – wird Zeit festen Boden unter die Füße zu bekommen.

Eine Antwort

  1. sehr empfehlenswert für die Katastrophenliste

    Gonda und Tissi wenn man gerade so 6 klettert
    Berg heil neben der Verschneidung entweder nervt einen der Piaz (wenn man groß ist) oder der Quergang (wenn man klein ist)

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