Sonntagmorgen, Zeitumstellung – also noch eine Stunde früher.
Um 6 Uhr aufstehen, oder war es 7? Diese Zeitumstellung macht mich wahnsinnig. Auf alle Fälle früh.
Um 8:00 stehen wir am Hohenstein. Die Sonne ist gerade aufgegangen und scheint über den Hügel. Die Hohenstein Nordseite liegt im Sonnenlicht. Ich glaube, ich habe diese schattige Seite noch nie sonnenbeschienen gesehen. Toll sieht das aus. Es ist noch kühl, wir klettern in Pulli und Jacke, aber der blaue Himmel verspricht rasche Änderung.
Die Bienen summen, ein Specht hämmert, Ruhe überall. Außer uns ist niemand am Fels und im Wald unterwegs.
Erst zwei Stunden später kommen die ersten Kletterer und dann eine Anfängergruppe. Da wird es rasch sehr voll und wir sind froh unser Pensum schon absolviert zu haben.
Wir starten wie gewohnt zum warm werden mit dem Weg der Jugend 5-. Die ersten Schritte fühlen sich nach der langen Hallensaison komisch an und ich muss mich konzentrieren und suchen. Aber es macht Spaß. Unendlich viel mehr Spaß als in der Halle. Zwar ist Route einfach, aber der Fels lebt. Da liegt Laub und Moos in den Spalten, man darf die Exe selbst setzen und clippen und mal einen Friend versenken. Und sei es nur aus Lust daran.
Oben angekommen baue ich einen Standplatz, denn unsere heutige Aufgabe ist nicht das Klettern, sondern Standplatzbau. Anica Kuk wir kommen!
Holger steigt nach und wir diskutieren die Sicherungen.
Dann drehen wir den Spieß um und Holger klettert vor und baut den Stand und ich nach. Ein paar Kleinigkeiten laufen noch nicht rund und alles könnte schneller gehen, aber das bekommen wir schon noch in den Griff.
Als nächstes wechseln wir in das kleingriffige Wändchen 5. Die Route ist reiner Genuß, auch wenn der erste Haken hoch hängt und man nur mit einem Friend weiter unten zusätzlich absichern kann. Einen Grounder vor dem ersten Haken lässt sich so nicht ganz vermeiden, aber besser wie nichts. Nein, man braucht an der Stelle keine zusätzliche Sicherung, aber ich setze sie trotzdem gern und fühle mich gleich um einiges wohler. Nach dem Naturdenkmal Schild sind es – wenn man den versteckten Griff kennt – nur noch zwei lockere Züge und man ist oben. Ansonsten habe ich da schon Leute zittern sehen.
Wir wechseln auf den direkten Überhang 7-/7
Auch hier setze ich weiter unten einen Friend, im Vorstieg muss ich keinen Grounder riskieren. Zwei Drittel der Route sind im 5er Bereich, nur die letzten 3 Meter werden schwieriger und erst der letze Meter ist eine Sieben. Eine harte noch dazu.
Ich gehe die direkte Linie, nutze den alten rostigen Haken neben dem Gipfelbuch als Sicherung. Entschließe mich dann aber doch auch rechts bei den zwei Haken des Knobelüberhang 6 zu klippen. Dort lässt sich auch wunderbar pausieren und als die Finger wieder wollen, hangele ich über den obersten Querriß zur Mitte.
Mit dem rechten Fuß auf den Zangengriff, die Rechte nach oben zum Seitgriff und die Linke auf die Schuppe daneben.
Ich drücke hoch, komme aber nicht weit genug. Noch einmal in die Ausgangssituation. Neustart. Diesmal erreiche ich den kleinen Knubbel unter der letzten Kante, aber es reicht wieder nicht. Ausgangsposition. Ich will nicht ins Seil.
Ich stelle den rechten Fuß auf die Sprungschanze. Der Linke auf den Zangengriff. Den Rechten hooke ich in den Querspalt, drücke mich nach oben, erreiche mit den Fingerkuppen der linken Hand die Kante. Mit rechts greife ich nach oben, komme aber auch nur mit dem ersten Fingergliedern an die Kante. So hänge ich und die Kraft geht. Ich bekomme die Füße nicht mehr sortiert und kann die Finger nicht entlasten, um tiefer zu greifen. Ein Zentimeter mehr und ich könnt ihn halten. Dann kommt der Sturz und die weit rechts außen angebrachten Haken lassen mich weit pendeln. Mit den Füßen fange ich die Wand ab, drehe mich und knalle mit dem Rücken an. Aber der Schwung war soweit abgebremst, dass es bei ein paar Abschürfungen bleibt.
Pause. Ich hänge im Seil und ärgere mich nicht, denn die Art der Begehung war gut und hat mir richtig Power gegeben. Da waren auch ein paar Griffe, denen ich bislang keine Beachtung geschenkt hatte. Das muss anders gehen.
Nächster Versuch. In der gleichen Art. Ich brauche den Hook, die Arme sind schwach. Diesmal komme ich mit zwei Fingergliedern auf die Kante und mit rechts noch weiter. Das wars. Nachgreifen, Beine auf die Schuppe und hoch. Das nächste Mal boulder ich den obersten Teil noch mal aus. Da sind Griffe über der Schuppe, die es einfacher und ohne Dynamik möglich machen diesen letzten Meter zu gehen.
Wir wechseln auf die Vorderseite und klettern den Brohmüberhang 6- als Mehrseillänge. Ich steige vor, der Überhang sieht spektaklär aus (ist aber sehr einfach) und baue oben mit einem Friend einen Standplatz. Holger steigt nach und wir wechseln. Jetzt steigt Holger vor – die Anfänger in der Nähe sind beeindruckt, als er am Überhang hängt und erst die Beine wieder an die Wand bringen muss – und macht die Redundanz mit einer Schlinge um einen Felskopf.
Langsam wird es flüssiger.
Um 12 Uhr, der Fels füllt sich immer weiter mit Kletterern, packen wir und sind froh den Rest des überraschend warmen Tages faul in der Sonne verbringen zu können. Sollen sie sich ohne uns um die wenigen Routen kloppen.
Der Hohenstein mag klein und langweilig sein, aber für eine Genußklettererei war es die Reise wert.